Jugenderinnerung des Malermeisters
und 2. Vorsitzenden des HV- Michael Hößl (1904-1978)
über die Grafenwöhrer Vorstadt, ihre Bewohner und deren Hausnamen.
(Zeitraum 1908-1910 niedergeschrieben 1968 - 1970)
Der in meiner Jugendzeit etwa 6-7 Meter tiefe Schapfgraben,
ist im Winter und Frühjahr häufig mit Wasser angefüllt und bildet eine
Eisbahnfläche, welche uns Jungen, neben der Böschung als Rodelbahn diente.
Im Sommer dient der sumpfige Graben als Holzablagerungsplatz, das seinerzeit
überall reichlich lagerte. Gegenüber dem Schapfgraben beginnt bereits
der Wald, der den Anreiz zum Bau des Gasthofes „Zur Waldlust“ in den
Jahren 1910 gab. Von der Geismanns Brauerei in Fürth gebaut, entwickelte
sich dieses Gasthaus unter seinem Wirt Fleischmann Hanne zur bestbesuchten
Gaststätte. Manch fröhliches Jugend - Erlebnis ist an dieses Waldstück
gebunden, wo wir Kinder Soldaten spielten, im ausgedehnten Wirtshausgarten
nach verlorenem Geld suchten, die noch nicht leeren Maßkrüge einsammeln
halfen und dabei manchen Kinderrausch abbekamen.
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In den Sommermonaten fanden dort oft Gartenkonzerte von
Militärkapellen statt, die bis in unsere Schlafstuben zu hören waren.
An den einzigen größeren Betrieb Göppl Brauerei welcher seinerzeit in
Grafenwöhr zu finden war, möchte ich noch erinnern. Die sogenannte „Plattl
Hüttn“ das Zementwarenwerk der Familie Georg Deyerling, welches damals
Betonrohre und Dachziegel aufgrund der reichlichen Sandvorkommen auf
der Gänsehut herstellte. Als Badeplatz für die Kinder diente Seinerzeit
der „Schafpröll“ eine tiefere Stelle an der Creussen, etwa hinter der
Waschanstalt Nicklas, wozu ein vollkommen klares Wasser unter Weidengebüsch
einlud. Da wo sich heute der Kirchsteig zur alten Pfarrkirche befindet
krümmte sich der Thumbach in vielen Windungen durch den Felsweiher,
reichlich von Erl- und Birkenbäumen eingefaßt. In den vielen sumpfigen
Altwassern fanden die auf dem Kastenhaus horstenden Störche alljährlich
reiche Nahrung und sie kamen regelmäßig jedes Frühjahr wieder. All das
hat sich um die Jahre 1913/14 rasch geändert, als alljährlich ganze
Regimenter Soldaten durch die Stadt mit Musik und Gesang marschierten
und mit dem Heer der Arbeiter zur Erbauung des Truppenübungsplatzes
viele fremde Menschen nach Grafenwöhr zogen um hier zu wohnen und den
Lebensunterhalt zu finden. Wie ehedem, so ist uns aber auch heute noch
gewohnt geblieben, der Donner der Kanonen, der seit dieser Zeit nur
wenig verstummte. Meine Jugenderinnerungen möchte ich abschließen mit
dem Erlebnis des ersten Kinos, daß durch die Schaustellerfamilie Jean
Lindner nach Grafenwöhr gebracht wurde und in einem großen Zelt auf
dem Grundstück an der Rosenhoferstraße 1913 gezeigt wurde. Es war für
uns Buben ein außergewöhnliches Ereignis, da wir aber noch nicht hinein
durften, stahlen wir uns unter dem Zelt in der Dunkelheit in den Raum.
Manch wackerer Soldat hat uns in dem Bemühen dabei geholfen. Wie heute,
ist mir aber noch in Erinnerung die erste Beerdigung Kriegsgefangener
Franzosen auf dem 1914 errichteten GefangenenFriedhof. Ich nahm als
Ministrant daran teil. Da bei den ersten verstorbenen Soldaten einen
Ehrensalve geschossen wurde, hielt ich mich mit einer Hand fest am Umzäunungsgeländer
und mit der andern Hand umklammerte ich eisern das Kreuz, welches ich
zu tragen hatte, trotzdem erschrak ich furchtbar, als es in unmittelbarer
Nähe krachte. Doch auch dieses Ereignis wurde zur täglichen Gewohnheit
denn viele verstorbene Franzosen und noch mehr Russen, mußten wir in
den ersten Kriegsjahren mit kirchlichem Segen begraben. Nicht vergessen
darf ich meine Jugenderinnerungen an die harten Gefechte und Schlachten
die von den Vorstädter und den Städter Buben ausgetragen wurden, bei
denen es manche Beule abgab und auch Löcher in den jungen Hitzköpfen
zu verzeichnen waren. Dessen ungeachtet möchte ich heute meinen, daß
damals die Sonne wärmer schien, die Gewitter häufiger und lauter über
uns hinwegzogen, daß die Lerchen über den Mitteläckern, wo heute die
neue Pfarrkirche steht, fröhlicher sangen und das tägliche Ave läuten,
mit Andacht an die Seelen drang. |
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